Mitarbeiter arbeiten oft mit Tools, die kompliziert und zeitfressend sind.
Als UX-Designer im Bereich B2B haben wir oft die Aufgabe, interne Anwendungen in ihrer Nutzerführung und im Design zu überarbeiten. Meistens reden wir von komplexen und sehr informationsreichen Anwendungen, die aussehen, als kämen sie aus einer GUI-freien Zeit.
Aus diesem Grund versuchen Unternehmen diverse Wege zu finden, die Anwendungen einfacher zu machen. Unserer Meinung nach ist das der falsche Ansatz. Die wichtigste Aufgabe für ein Unternehmen ist es, sich ein tiefes Verständnis für ihre User, das Unternehmen und die Kontexte zu verschaffen, in denen sie arbeiten. Denn die Art und Weise, wie interne User im B2B-Bereich arbeiten kann sich stark vom Nutzerverhalten im B2C unterscheiden.
Darum sollte zwischen internen und externen Anwendungen unterschieden werden
Interne Anwendungen sind für Personen / Mitarbeiter innerhalb eines Unternehmens oder eines Systems bestimmt, die nicht öffentlich zugänglich sind. Externe Anwendungen sind meist im B2C Bereich auffindbar und können somit öffentlich zugänglich sein. An sich ist das völlig einleuchtend, bis man feststellt, dass man meistens über nach außen gerichtete Websites und Anwendungen unterrichtet wird.
Für Unternehmen ist es wesentlich einfacher, öffentliche Websites zu verstehen und zu kritisieren, da sie den User dank Analysen und zahlreichen Conversion-Rate-Optimierungen kennen. Im Normalfall ist der Großteil der Website-User aus der Öffentlichkeit, um Informationen über Services und Produkte zu finden. Je besser die Webseite strukturiert ist, um so höher ist die Wahrscheinlichkeit eines Kaufabschlusses.
Mehr Kaufabschlüsse sorgen für mehr Umsatz – welches Unternehmen sagt da schon nein?
Im Gegenteil dazu spielen interne Anwendungen in einer anderen Liga:
Effiziente Wertschöpfung ist wichtiger als perfekte Designs
Manchmal werden Anwendungen aus vielen „Quick-Wins“ zusammengeschustert, die Ihren Usern einen sofortigen Mehrwert bieten sollen. Die Frage, die man sich allerdings stellen sollte ist, ob die kurzzeitigen Änderungen auch das Gesamtbild verändern oder gar verschlechtern.
Best Practice ist der Leitfaden für eine gute Optimierung
Wir möchten oft nur einen Lösungsweg zulassen. Anstatt Usern verschiedene Auswahlmöglichkeiten anzubieten, ist es meistens besser, User anzuweisen, keine Fehler zu machen.
Zugängliche User
Da die User die eigenen Mitarbeiter sind, können sie schnell und einfach ihr Feedback zu internen Anwendungen abgegeben. Das ist der erste notwendige Schritt, um die Herausforderungen der eigenen Tools zu verstehen und darauf eingehen zu können.
Regeln und Vorschriften
Was User tun dürfen und was nicht, wird oft durch Regeln und Vorschriften von den Governance Abteilungen im Unternehmen geregelt. Infolgedessen können manchmal offensichtliche Anwendungen von Drittanbietern nicht verwendet werden, da sie nicht den erforderlichen Kriterien entsprechen.
Langsamer Wandel
Aufgrund vieler dieser Dinge ändern sich die Strukturen und das Mindset von Unternehmen gegenüber User Experience oft nur langsam. Es kann zu Rückschlägen für neu getroffene Maßnahmen kommen, da sie möglicherweise gegen das verstoßen, was sich viele User im Laufe der Jahre angelernt haben.
Konsistenz ist entscheidend
Interne Tools sind im Normalfall ein Teil einer Produktfamilie, die bestimmte Anwendungsfälle abwickeln. Die Befürwortung von Änderungen an den Tools beinhaltet oft die Überlegung, ob es sich lohnen könnte, von der Konsistenz der Produkte innerhalb der Produktfamilie abzuweichen.
Informationsdichte
Interne Tools weisen in der Regel eine hohe Informationsdichte auf, da viele dieser Systeme für Fachleute entwickelt wurden. Fachleute verwenden häufig einen nichtlinearen Workflow. Das Risiko, wichtige Funktionen zu verbergen, ist manchmal so verheerend, dass es mehr Sinn machen würde, den Weißraum etwas mehr zu befüllen. Wichtige Funktionen sollten immer im Vordergrund stehen.
Ein wichtiger Tipp von uns
Der Versuch, Anwendungen für den User zu vereinfachen, sollte immer in Begleitung von externen UX Experten erfolgen, die nicht unternehmensblind sind.
Schnittstelle vs. Fachkompetenz
Wenn wir davon sprechen, dass ein User ein Experte ist, reicht das oft nicht aus, denn es gibt nicht nur eine Art von Expertise. Konzentrieren wir uns auf zwei der wichtigsten Expertisen:
Schnittstellenkompetenz
Die Schnittstellenkompetenz ist das Wissen einer Person, wie eine Schnittstelle aufgrund von Gewohnheiten bei der Verwendung funktioniert. Es ist die Fähigkeit, vertraute Interaktionsmuster zu erkennen, ohne sie zu analysieren oder aus dem Gedächtnis aus Lernprotokollen abzurufen.
Geschäftsexpertise
Die Geschäftsexpertise ist das Wissen einer Person in einem Bereich oder einem Thema aufgrund von Berufserfahrung, Geschäftsausbildung oder Zertifizierung. Dazu gehören auch die teilweise selbst kreierten Methoden zur Bewältigung von Aufgaben und Prozessen.
Diese beiden Arten von Fachwissen unterscheiden sich stark voneinander. Je nach Aufgabenbereich im Unternehmen haben die einen Mitarbeiter mehr Geschäftsexpertise als Schnittstellenkompetenz oder genau andersrum.
Das bekannteste Beispiel hierfür ist ein Hausarzt mit 20 Jahren Erfahrung auf seinem Gebiet, der sehr viel Geschäftsexpertise besitzt. Allerdings weiß er nicht genau, wie er aus einem ausgefüllten Bericht ein PDF erstellen soll. Daher ist es für jedes Unternehmen wichtig zu verstehen, dass beide Arten der Kompetenz einen Einblick geben können, wo es Verbesserungspotenzial gibt.
Eines der häufigsten Probleme bei internen Anwendungen ist, dass sie sich in der Nähe von Punkt 2 befinden. Grund dafür ist, dass Anwendungen von Unternehmen mit Blick auf das System und nicht auf die User entworfen wurden. Folglich wurde Personen mit hoher Fachkompetenz auch eine hohe Schnittstellenkompetenz zugemutet. Daher ist die Vereinfachung der Schnittstellen ein wichtiger Punkt – dennoch gilt es zu beachten, dass die User zusätzliches Geschäftswissen nutzen können.
Viele der Mitarbeiter sind Experten in ihrem Geschäft und können als erfahrene Benutzer eingestuft werden: Sie wissen, was sie tun möchten und werden mit hoher Wahrscheinlichkeit oft bis mehrmals täglich mit dem Tool arbeiten. Zur Optimierung der Anwendung werden meistens neue Funktionen gewünscht, die eine effizientere Arbeit ermöglichen wie z.B. Verknüpfungen zu anderen Systemen, Tastaturnavigation und Personalisierung.
Wie man für interne User die UX verbessert
Der Leitsatz für uns heißt an dieser Stelle: Analysiere deinen User von A-Z, insbesondere seine Arbeitsabläufe im Alltag.
Das Beste an internen Anwendungen ist, dass alle User innerhalb des Unternehmens tätig und schnell greifbar sind. Es ist also sehr einfach, die Zielgruppe schnell zu erreichen, die aktuelle Situation zu verstehen und aus den Problemen der User zu lernen.
Man sollte sich genug Zeit nehmen, um die aktuellen Tools zu verstehen und wie die Mitarbeiter ihre Arbeitsbereiche organisieren, welche Frustrationen sie haben und was sie verbessern würden – es ist absolut großartig, Feedback der User zu erhalten. Für eine gezielte Optimierung ist es nach sämtlichen Befragungen wichtig, Designartefakte zu erstellen, die sich auf den Arbeitsablauf der User konzentrieren.
Anhand von User Journey Maps bis hin zu hierarchischen Aufgabenanalysen können die Arbeitsprozesse in einzelne Schritte aufgeschlüsselt werden. Es ist besonders hilfreich, da es oft verschiedene Workflows und Aufgabenbereiche der Mitarbeiter gibt welche man erst einmal verstehen muss.
Es gilt vorab zu analysieren, wie der aktuelle Workflow in der bestehenden Anwendung aussieht. Der Workflow gibt einem UX Experten einen guten Einblick in alle Funktionalitäten und in aktuelle Prozesse, die nicht immer reibungslos funktionieren oder Fehler aufweisen.
Dem Prozess können User manchmal nicht folgen. Sie verstehen teilweise Zusammenhänge aufgrund mangelhafter User Experience nicht, woraus sich Fehler im Arbeitsprozess ergeben können.
Nach reiflicher Überlegung von Seiten eines UX Experten ergibt sich ein neuer Prozess, der mit den Usern getestet wird und mit den Fachabteilungen auf Information und Funktion geprüft wird. Der Prozess vereinfacht die tägliche Arbeit mit der Anwendung und sorgt für erste positive Reaktionen.
Generell zeigen uns die Workflows aus den Abbildungen, an welchen Stellen die Benutzeroberfläche verbessert werden kann und stellt sicher, dass die Geschäfts- und Schnittstellenexpertise richtig genutzt werden kann.
Besonders wichtig
Das Interface soll für die User verbessert werden, nicht für die Fachabteilung.
Alles über eine große und komplexe Anwendung zu verstehen, ist schwer. Es ist in Ordnung, nicht alles zu wissen – das kann keiner und muss auch keiner. Es sollte daher ein UX Team mit B2B Erfahrung in eine Umstrukturierung dazu geholt werden, welches das Potenzial der Anwendung sieht und die Erfolgschancen der Optimierung nutzen kann.
Es kann schwierig sein, alle wichtigen Ansprechpartner im Unternehmen an einen Tisch zu setzen, aber informelle Gespräche über Funktionen und Anforderungen, können ein großartiger Eisbrecher auch zwischen den Abteilungen sein.
Darüber hinaus bekommt man in diversen Meetings oft ein Gefühl dafür, welche Funktionen den Usern den größten Nutzen bringen könnten und worauf man sich konzentrieren sollte, um den Usern künftig mehr zu helfen.
Die Arbeit an internen Anwendungen schafft ein neues Bewusstsein im Unternehmen, denn die User sind leicht zugänglich und freuen sich, wenn ihnen geholfen wird.
Veränderungen kommen nach und nach
Große Schnittstellen brauchen Zeit, um sie zu verstehen, zu ändern und technisch zu implementieren. Während dieser Zeit kann es zu Rückschlägen kommen. Es müssen alternative Herangehensweisen in Betracht gezogen werden, ebenso kann man sich anderweitig mit anderen Schwierigkeiten auseinandersetzen. Manchmal können Änderungen auch phasenweise erfolgen, um den User Stück für Stück vertrauter mit neuen Funktionen und Umstellung zu machen. So gewöhnt man ihn langsam um und stellt ihn nicht mit einer komplett überholten Version der Anwendung komplett vor nackte Tatsachen.
In Prozessen der Umstrukturierung einer B2B Anwendung muss man auch ein Stück weit geduldig sein und wissen, dass viele der kleineren Änderungen, die heute vorgenommen werden, später größere positive Auswirkungen haben als es am Anfang scheint.
Bzgl. eines besseren Verständnis der User gibt es eine kurze Geschichte:
In der Vergangenheit gab es bei einem Kunden eine Rücklaufquote von fast 0% in einer damals aktuellen Anwendung. Gemeinsam haben wir uns entschieden, diverse User Testings durchzuführen, um herauszufinden, warum die Werte so schlecht sind.
Wir haben festgestellt, dass viele der User dazu geneigt hatten, Felder der Anwendung teilweise vollständig zu überspringen, selbst wenn das Szenario ausdrücklich auf die Verwendung dieser Felder hingewiesen hatte. Als wir dann fragten, wie sie eine bestimmte Information dokumentieren würden, gingen einige Benutzer so weit, eine andere Anwendung zu öffnen, um die Dokumentation durchzuführen und die Datei anzuhängen, anstatt ein paar Felder zu verwenden.
Die Antworten der User, die wir explizit nach der Verwendung der Felder gefragt haben, waren aufschlussreich:
„Welche Felder meint ihr denn?“
„Ups, die Felder habe ich gar nicht gesehen!“
„Ich habe keine Sternchen gesehen, die mir Pflichtfelder anzeigen?“
Antworten, aus denen wir heraushören konnten, dass die Wichtigkeit der Felder zu sehr untergegangen ist und wir unbedingt eine Umstrukturierung machen mussten.
Fazit
Die Art und Weise, wie interne User über ihre Arbeit nachdenken und sie erledigen, kann auf Schulungen, Organisationsstrukturen oder anderen Faktoren beruhen, die möglicherweise nicht bekannt sind. Daher sollte immer sichergestellt werden, dass man genau versteht, was die User tatsächlich benötigen und wie sie arbeiten, bevor Prozesse verändert werden.